Thomas Gemperle ist Wahlkampfleiter der SVP und Mitgründer der Firma Openbyte. Im Interview klärt er auf, wie sich die Digitalisierung auf die Demokratie auswirkt und wie Online-Marketing eine zentrale Rolle bei Wahlen spielt.
Sie sind der Gründer der Firma Openbyte und arbeiten sehr viel imBereich Online-Marketing, wie gestalten sie Kampagnen und worauf achten Sie?
Meistens starten wir mit einem Konzept und entwickeln eine Strategie für die Kampagne. Wir überlegen uns, was wir für Ziele haben und wer unsere Zielgruppe ist. Meistens gibt es verschiedene Gruppen, die man mit verschiedenen Argumenten ansprechen muss. Auf dieser Grundlage erstellen wir ein Konzept, denn beim Werbeslogan muss darauf geachtet werden, was zieht bei dieser Personengruppe, in welcher Lebensrealität bewegen sie sich.
Wir sehen vermehrt auf Social Media also TikTok, Instagram und anderen Plattformen auch politische Werbungen, die vor allem die jüngere Generation ansprechen soll. Sehen Sie einen Unterschied zu früher, also stimmen heute mehr junge Leute ab?
Ich persönlich denke nicht, dass die Stimmbeteiligung grösser wurde und glaube auch wissenschaftlich konnte kein merkbarer Unterschied gemessen werden. Als die Klimajugend damals aufkam, dachte man, bei der Stimmbeteiligung werde sich etwas ändern. Vor allem die Grünen haben einen enormen Zuwachs bekommen, da konnte man eine Wirkung von den Protesten feststellen. Doch wenn ich mich richtig erinnere, waren es nicht ausschliesslich Junge, sondern auch ältere Generationen, die gemerkt haben, dass grüne Themen immer wichtiger werden. Ich denke, die junge Generation informiert sich sehr stark über Social Media. Das merken die Auftraggeber auch, was zu einer massiven Verschiebung des Budgets führt. Heute fliesst viel mehr Geld in den Onlineraum, wo früher enorme Summen für zum Beispiel Inserate-Kampagnen in Zeitungen ausgegeben wurden. Es gibt auch heute noch Inseratenkampagnen, aber das Budget wird breiter ausgegeben.
Also würden Sie sagen, dass man den Einfluss der Digitalisierung zum Beispiel bei Wahlen spürt?
Digitale Werbung hat sicher eine Wirkung, doch ich bin mir sehr sicher, dass das Schweizer Volk sich nicht kaufen lässt. Digitalisierung ist nur ein Faktor und ich bin der Meinung, dass es immer drei Komponenten braucht, um eine Abstimmung oder eine Wahl erfolgreich zu gewinnen. Diese dreiKomponenten sind: der Kandidat, das politische Umfeld und dann erst dieKampagne.
Der Gründer der PR-Agentur Farner, die viel politischeWerbung macht, hat einmal gesagt: «Gib mir eine Million Franken und ich mach aus einem Kartoffelsack einen Bundesrat.» Eine gewisse Wahrheit steckt schon dahinter, man kann mit Geld viel erreichen aber nicht alles kompensieren.
Durch die ganze Digitalisierung versuchen viele Kandidaten jetzt neu auf die Sozialen Medien zu setzen. Merken Sie oder merkten Sie schon einenAnsturm auf Ihre Dienstleistungen?
Es ist unterschiedlich. Wir merken natürlich, dass die Bedeutung zunimmt. Heutzutage haben alle ein Smartphone, mit welchem man selbst Videos drehen kann, ausserdem kann man mit Tools wie Canva einfach selberInhalte produzieren. Es gibt viele, die solche Tools nutzen, jedoch gibt es auch viele, die den Qualitätsunterschied zwischen Selbstgemachtem und Professionellem sehen. Ich selbst bin auch kein Designer und kann das auch nicht perfekt, jedoch haben wir bei Openbyte viele Mediamatiker, die dies gut im Griff haben.
Bei uns intern sind wir auch sehr kritisch miteinander, wenn jemand aus dem Team einen Vorschlag macht, diskutieren wir diesen und schauen dabei auch vor allem auf die Details.
Es gibt Leute und auch Kampagnen, welche auf uns zukommen, da sie etwas Professionelles wollen, etwas Individuelles und das sind dann auch die, welche wir unterstützen wollen.
Finden Sie, dass Gatekeeping im Zusammenhang mit Digitalen Medien einProblem darstellen könnte? Also, dass Redaktionen entscheiden, was veröffentlicht wird und was nicht.
Gewisse Gefahren sehe ich dabei schon, jedoch ist es auch eine sehr grosse Chance. Früher gab es viele Tageszeitungen, bei denen derJournalist entschieden hat, was publiziert wird und dort war Gatekeeping meiner Meinung nach ein grösseres Problem. Wichtig zu beachten sind auch dieAlgorithmen, die die Verbreitung von Fake-News weiter fördern.
Wir selbst als Firma haben auch das Ziel, dass wir niemanden absichtlich in die Irre führen. Wir wollen informieren, jedoch habenwir auch eine Position und dabei sprechen wir über unsere Argumente.
Würden Sie sagen, dass in den Sozialen Medien viele durch Ihre Position beeinflusst werden. Finden Sie, dass Manipulation eine Rolle spielt und dass somit auch die Demokratie negativ beeinflusst wird?
Ich selbst sehe das nicht sehr dramatisch, man hat verschiedene Möglichkeiten darauf zu reagieren. Bei den klassischen Medien ist dies ein wenig anders, dort hat es auch Untersuchungen gegeben, dass vieleJournalisten linksorientiert sind.
Ich denke, es hat eher positive Auswirkungen auf dieDemokratie. Durch Social Media kommen viele Leute mit politischen Inhalten inKontakt und merken, dass dies uns als Bevölkerung direkt betrifft. Ich erhoffe mir dadurch eine positive Auswirkung und dass auch vor allem junge Leute sich dafür interessieren und schliesslich an die Urne gehen. Ich bin der Meinung, dass die Leute auch lernen müssen, sich mit Inhalten kritisch auseinanderzusetzen.
Also sehen sie es nicht sehr dramatisch, wenn es draussen Leute gibt,die Inhalte nicht kritisch hinterfragen können und somit einfach die Meinunganderer annehmen?
Natürlich gibt es Personen, die nicht alles kritisch hinterfragen. Ich schliesse es nicht aus, dass es einige gibt, die diese Fähigkeit nicht haben.
Die Frage dabei ist, ob solche Personengruppen überhaupt politisch interessiert sind. Diese desinteressierte Personengruppe darf auch nicht vergessen werden. Eine wichtige Überlegung ist auch, wie werde ich links/rechts oder was ist eigentlich richtig.
Kennen Sie das Phänomen «Rabbit Hole» in Bezug auf das Internet, bei welchem einem durch den Algorithmus immer nur dieselben Inhalte angezeigt werden und sehen Sie dies als eine Gefahr für Ihre Arbeit oder als einen Vorteil?
Ja, ich kenne dieses Phänomen, jedoch mache ich mir wenig Gedanken dazu, ob eine Vorgehensweise bezüglich Rabbit-Hole besonders vorteilhaft ist oder nicht. Ich weiss, was meine Werte sind und möchte für diese einstehen.Ehrliche Kampagnen ist bei mir ein wichtiger Punkt. Ich mache mir wenigGedanken dazu, ob eine Vorgehensweise okay ist oder nicht.
Was ist Ihre Haltung zu Digitalisierung in Bezug zur Demokratie und derPolitik wie sich dies in der Zukunft verhalten wird? Wird dies eher Vorteile oder Nachteile bringen?
Ich bin schon der Meinung, dass es Vorteile bringt. Vor allem, dassLeute sich freier informieren können. Es besteht aber leider die Gefahr, dass man sich durch die Algorithmen nur mit einer Meinung befasst und selten mit einer anderen konfrontiert wird. Dies ist ein Risiko, das klar vorhanden ist. Ich würde aber behaupten, dass die klassischen Medien, wie zum Beispiel Plakate, nicht verschwinden werden.Plakate sind wichtig, um auch den eigenen Leuten Sicherheit zu geben, dass diePartei aktiv ist.
Ein anderer relevanter Punkt ist die Mobilisierung. Die Leute müssen wissen, dass es Zeit ist zur Urne zu gehen und abzustimmen. Wir bei uns sagen immer, wenn uns die Plakate schon langsam aus dem Hals heraushängen, merkt derHinterste erst, dass Abstimmungen stattfinden.
Auf Social Media muss Werbung in der Schweiz immer klar ersichtlich sein. Wenn man jetzt eine Werbung von einem Staubsauger sieht, muss dies als Werbung deklariert sein. Denken Sie, dass bei politischer Werbung, also bei Kampagnen, dies gleich gehandhabt werden sollte? Somit würde man diese Videos kritischer betrachten.
Man sieht bei den Videos meistens, wer dahintersteckt und die meisten Plattformen haben Richtlinien. Zum Beispiel auf TikTok darf keine politische Werbung geschaltet werden. Auch beim Meta-Konzern gibt es viele Richtlinien, an die man sich halten muss. Ich bin der Meinung, dass das deklariert sein muss. In der Schweiz ist das allerdings schon gut erkenntlich. Meinungen werden gut toleriert und irreführende Videos werden kontrolliert.
Also finden Sie, Toleranz ist ein sehr wichtiger Aspekt in einer Demokratie?
Ja, solange Meinungen nicht ehrverletzend oder problematisch sind, istToleranz zentral. Freie Meinungsäusserung ist mir sehr wichtig.
Das Gespräch führten: Yelena Abderhalden, Sheila Zafon und Noemi Gutknecht (2ma)
Mit 17 Jahren tritt Thomas Gemperle der JungenSVP bei. Er war schon immer sehr an Politik interessieren und hatte schon früh seine starke Meinung vertreten. Durch sein Engagement wurde er zum Wahlkampfleiter der SVP Thurgau ernannt und später in den Gemeinderat Frauenfeld gewählt. 2018 hat er mit einem Politikkollegen die Firma Openbyte GmbH gegründet. . Dort bieten sie viele Dienstleistungen an, welche mit Content Creation und Online-Marketing zu tun haben. Er selbst ist Informatik-Ingenieur und hat den Abschluss MAS Business Communication.