Baran Koca, was können Lehrpersonen von Schülerinnen und Schülern lernen?
Baran Koca: Für Lehrpersonen ist es sicher spannend, die Perspektive von Schülern einzunehmen. So können sie ihren Unterricht kritischer beurteilen. Eine Lehrperson kann durch das Feedback lernen, ob der Unterricht lehrreich ist, ob das Tempo gut ist, wie die Schüler und Schülerinnen die Hausaufgaben empfinden oder wie das Unterrichtsklima ist. Das muss nicht immer negativ sein, eine Umfrage kann die Lehrkraft bestätigen, dass sie so weiter machen soll.
Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass Lehrpersonen regelmässig Feedbacks einholen?
Baran Koca: Jede Klasse hat ein anderes Klima, ein anderes Tempo und einen anderen Arbeitsstil. Ein regelmässiges Feedback hilft, sich an diese Gegebenheiten anzupassen und ein angenehmes Lernklima zu erzeugen. So kommen Schülerinnen und Schüler gern in die Lektion und erbringen gerne gute Leistungen.
Sie haben mit dem Schülerrat eine Feedback-Vorlage erarbeitet und im Konvent über Ihr Anliegen informiert. Wer hat diesen Prozess angestossen?
Baran Koca: In der letztjährigen Umfrage wollte der Schülerrat von den Schülerinnen und Schülern wissen, ob sie regelmässige Feedbacks notwendig halten und welche Fragen essentiell für sie sind. Überraschenderweise wünschten 75% der Befragten, dass Lehrpersonen regelmässig Feedback einholen. Da 75% recht viel ist, haben wir das Thema ernst genommen und daran gearbeitet. Als wir in einer Sitzung nach dem Halloween-Ball das Thema wieder aufgegriffen haben, hat uns Herr Graf (als Prorektor zuständig für den Schülerrat; Anmerkung der Redaktion) geholfen, den Fragebogen und die Forms-Vorlage zu erstellen.
Welches sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten und aussagekräftigsten Feedback-Fragen?
Baran Koca: Das ist schwer zu sagen. Ein Feedback soll möglichst vielseitig ausfallen. Trotzdem gibt es meiner Meinung nach drei besonders wichtige Fragen. Erstens: «Die Menge an Hausaufgaben ist angemessen.» Lehrpersonen können manchmal nicht gut einschätzen, wie viel Zeit ihre Hausaufgaben in Anspruch nehmen. Zweitens: «Ich lerne viel im Unterricht.» Wenn man nicht viel lernt oder mitnimmt vom Unterricht und alles zu Hause machen muss, obwohl man im Unterricht aufmerksam zugehört hat, dann besteht irgendwo ein Problem. Und drittens: «Ich fühle mich von der Lehrperson wertgeschätzt / ernst genommen.» Hier geht es um die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Lehrperson und Klasse. Diese ist sehr wichtig, damit man im Unterricht gern lernt.
Sie wünschen sich, dass Lehrpersonen während des laufenden Schuljahrs einholen – und nicht erst am Ende. Warum?
Baran Koca: Während des Schuljahrs ist es einfacher für die Schülerschaft, eine solche Umfrage auszufüllen. So kann man der Ballung von Umfragen am Ende des Schuljahrs entgegenwirken, und so wirken sie auch nicht so ermüdend.
Haben Sie von Lehrpersonen bereits Feedback auf Ihren Wunsch nach mehr Feedback erhalten?
Baran Koca: Viele Lehrpersonen, bei denen ich Unterricht habe, finden die Umfragevorlage eine tolle Idee und wollen sie in unserer Klasse gerne ausprobieren. Doch es gibt auch Lehrpersonen, die wir noch überzeugen müssen, dass Feedbacks wichtig sind. Feedbacks sind für uns Schülerinnen und Schüler ein Zeichen, dass wir ernstgenommen werden …
… und sie bieten Ihnen eine Möglichkeit, sich mit Lehrpersonen über den Unterricht auszutauschen. Das ist ein wichtiges Anliegen von Ihnen. Erinnern Sie sich an einen solchen gewinnbringenden Austausch?
Baran Koca: Ich besuche den Schwerpunkt «Physik und Anwendungen der Mathematik» (PHAM). Unsere Lehrperson redet bei Theorieeinträgen viel über den Hintergrund und die Anwendungen der Theorie. Aber anfangs war sie unsicher, ob wir als Schüler und Schülerinnen das eher als unnötig empfinden. In einem Feedback und während einer Theorielektion bestätigten wir, dass wir das so okay finden, weil es spannend ist, wenn uns die Lehrperson solche Sachen erzählt. Als PHAM-Schwerpünktler schätzen wir solche Extra-Informationen. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass es Klassen gibt, die das unnötig fänden. Das meine ich eben, wenn ich sage, dass jede Klasse anders ist. So profitieren beide vom Feedback: Unsere Lehrperson weiss, dass wir gern solche Sachen erfahren, und wir fühlen uns wertgeschätzt.
Fragen: DUL / Bild: GRA
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Stärkung der Feedbackkultur an der Kanti Frauenfeld. Unterrichtsfeedbacks sind seit langem ein wichtiges und bewährtes Instrument für die persönliche Unterrichtsentwicklung und Qualitätssicherung. An der Kanti Frauenfeld werden Feedbacks bereits systematisch eingesetzt, so z.B. im Laufbahnkonzept von neu eingestellten Lehrpersonen oder in der wiederkehrenden Qualitätsbeurteilung von mehr- und langjährigen Kolleginnen und Kollegen. Die Schulleitung begrüsst die Initiative des Schülerrats und findet es positiv, wenn damit die konstruktive Feedbackkultur an der Schule gestärkt wird. (DUL)