Das Puch-Maxi-Revival

Hier auf der «pause» braust heran: die erste «Pop-Reflektor»-Kolumne. Unser Deutsch- und Geschichtslehrer Oliver Szokody erzählt davon, wie er ein Fenster öffnet – und den Sound seiner Jugend hört. Die Achtziger sind nicht verschwunden, sie fahren wieder Puch Maxi!

Neulich an einem noch milden Herbsttag lüftete ich routinemässig das Klassenzimmer H003 und es drang ein Geräusch aus längst vergangen geglaubter Zeit in mein Ohr. Der knatternde, zweitaktmotorröhrtuckernde Klang eines davonbrausenden Mofas weckte Erinnerungen in mir. Das Zweirad war zwar bereits hinter der Campusmauer verschwunden, trotzdem war ich mir sicher, da unverkennbar, unverwechselbar: Es musste sich bei dem Gefährt um ein Puch Maxi handeln!

Technikgeschichtliche Notiz: Das Maxi war in den 1980er-Jahren das Erfolgsmodell der österreichischen Marke Puch und die letzte Baureihe vor dem Verkauf an den italienischen Piaggio-Konzern. Mittels eines kurzen Rundgangs am nächsten Tag auf den Zweiradparkplätzen unserer Alma Mater konstatierte ich ein wahres Puch-Maxi-Revival: sehr gepflegte Fahrzeuge, oft im Originalzustand oder dann liebevoll überholt; Originallackierungen wie ‹froschgrün›, ‹silbermetallic›, ‹nachtblau› neben umgebauten und neu gespritzten Modellen.

So wie Marcel Proust in ‹A la recherche du temps perdu› den wohlige Kindheitserinnerungen auslösenden Effekt des Geschmacks einer in Tee getunkten Madeleine beschreibt, fühlte ich mich in vergangene, aber zum Glück nicht verlorene Zeiten zurückversetzt. Wir unternahmen Ausfahrten mit unseren «Töfflis», hörten Hitparadensongs wie «Sweet Dreams» (Eurythmics), «Smalltown Boy» (Bronski Beat), «Big in Japan» (Alphaville), «Nobody’s Diary» (Yazoo), «A Forest» (The Cure) und «Every Thing Counts» (Depeche Mode), machten im Kollegenkreis Werbung für erst Jahre später populär gewordene Punkbands wie Hosen und Ärzte und liebten Underground wie die verspielten «The Deep Freeze Mice», die düsteren «The Sisters of Mercy», die den Grunge vorwegnehmenden «Sonic Youth» oder «The Fall» und verehrten die selbstironischen «The TV-Personalities», die mit dem Zug an ihre Konzerte reisten. Von den Vinylscheiben als Mixtape auf Kassette aufgenommen oder schon als Tape erworben, begleitete uns die Musik auf dem damals obligaten Walkman.

Ich machte das Fenster zu und genoss es, in diesen alten Erinnerungen zu schwelgen und staunte etwas über mich: Denn so wie ich 1983 mit Sechzehn den manilagrünen Audi 100 meines Vaters am Motorengeräusch zu erkennen vermochte, kurz bevor er um die Kurve kam, hatte ich treffgenau das Motorengeräusch Puch-Steyr-Daimler-Motors identifizieren können.

Übrigens: Bei meinem eigenen Puch Maxi (Modell S2, Baujahr 1983, Farbe karminrot) hatte ich in ungewöhnlich warmen Weihnachtsferien den hohen Serienlenker durch einen sehr tiefen und breiten Lenker ersetzt, um neben der starken Ciao- und SI-Konkurrenz modisch nicht abzufallen. Neun Monate später habe ich das Bijou einem Tenniskollegen verkauft – notabene zu einem Spottpreis – und bin wieder auf das Velo umgestiegen, schade eigentlich, sonst käme ich aus Nostalgie für einmal auch mit dem Mofa zur Schule...

Oliver Szokody