Mit Geduld und Zielstrebigkeit zur Auszeichnung

Die Stiftung «Schweizer Jugend forscht» zeichnet jedes Jahr ausserordentliche Mataturaarbeiten und Studien aus. Gleich zwei Preise gingen an Absolventinnen und Absolventen der Kanti Frauenfeld: Amélie Quenzer und Michael Montagna. Amélie erhielt eine Auszeichnung für eine Arbeit, welche die Auswirkungen von Nährstoffen auf ein Ökosystem thematisierte (siehe unten), Michael für das Design und die Entwicklung eines Formel-1-Rennauto-Modells. Mit Michael und seinem Betreuer, Dr. Angelo Lombardi, hat sich die pause zum Interview getroffen.


Der Rennsport der Formel-1 ist mit den extremen Geräuschen eine laute Sportart. Sie, Michael, sind ein zurückhaltender, ruhiger Typ – wie passt das zusammen?

Michael Montagna: «Ich bin ein leidenschaftlicher Formel-1 Fan! Seit ich klein bin, schaue ich immer die F1-Rennen am Fernsehen. Die Geräusche der schnellen Autos begeistern mich. Vor sechs Jahren war ich auch schon vor Ort bei einem Rennen in Hockenheim.»
 
Ein Rennsport-Team besteht neben dem Piloten ja auch aus vielen weiteren Rollen: die Mechaniker, die Entwickler, der Rennstall-Chef, der Stratege. Michael, welche Rolle würden Sie Herrn Angelo Lombardi zuteilen?
Michael Montagna: «Herr Lombardi war während der Erstellung meiner Maturaarbeit mein ‘Supervisor’. Denn er hat mich immer begleitet und mich unterstützt. Es ist wie beim Rennen: Der Pilot ist in ständigem Kontakt über Funk mit einer Bezugsperson – das war bei mir mein Betreuer. Vor allem in der Anfangsphase der Arbeit war die Betreuung intensiv, und Herr Lombardi hat mir viele Hinweise und Tipps gegeben.»
 
Wie sind Sie auf die Fragestellung Ihrer Studie gekommen?
Michael Montagna: «Bereits ein Jahr vor der Maturaarbeit habe ich angefangen, mir ein Grundwissen in Aerodynamik anzueignen – ich habe viel Fachliteratur zum Thema gelesen und mich richtig tief eingearbeitet.»
 
Angelo Lombardi, nun eine Frage an den ‘Supervisor’: Es gibt ja verschiedene Fahrer-Typen – wie würden Sie Michael charakterisieren?
Angelo Lombardi: «Michael bringt viel Leidenschaft mit, er ist sehr freundlich und sehr geschickt. Was ihn zudem auszeichnet, ist sein überlegtes Vorgehen. Er denkt sehr umfassend und sehr strategisch. Ich durfte Michael schon in einer Sonderwoche betreuen – da ging es um die Entwicklung von Simulationen mit der Software Blender. Sein Talent hat sich dort schon abgezeichnet.»
 
Die Ergebnisse Ihrer Untersuchung sind valide. Ihr entwickeltes Formel-1 Modell kann mit vergleichbaren Miniaturen von professionellen Teams mithalten. Wie schätzen Sie selber Ihre Resultate ein?
Michael Montagna: «Ich habe mein entwickeltes Design-Modell mit einem Sauber Rennwagen verglichen. Dafür habe ich eigens einen kleinen Windkanal gebaut. Der kleine Massstab der Autos sowie die tiefe Luftgeschwindigkeit waren nicht optimal für den Vergleich.  Mein Fahrzeug hatte bessere Abtriebwerte, allerdings hatte es einen grösseren Luftwiderstand. Das Sauber-Fahrzeug war insgesamt leicht effizienter. Aber in vielen Werten lagen die Fahrzeuge nahe beieinander, was sehr positiv ist.»

Was ist die Besonderheit Ihres Designs?
Michael Montagna: «Mein Ziel war es, bei meinem Modell so viel Abtrieb wie möglich zu entwickeln, damit die Reifen des Fahrzeugs mehr Anpressdruck erhalten – dies schafft Bodenhaftung und Stabilität in den Kurven. Ich habe mich beim Design somit auf die wichtigsten Komponenten fokussiert: auf die Flügel und den Unterboden. Ein weiterer Blick galt der optimalen Leitung der Luft über das gesamte Auto – hier habe ich im Projekt grosse Fortschritte gemacht.»
 
Sie haben die Entwicklung des Modells in Design-Zyklen unterteilt. Was muss man sich darunter vorstellen?
Michael Montagna: «Ein Zyklus besteht aus vier Schritten: Skizzen erstellen, CAD-Modell designen, das Fahrzeug in die Simulation geben und daraus Messungen generieren. So kann man Step by Step das Fahrzeug verbessern. Übrigens gehen die Profi-Rennställe der Formel 1 ähnlich vor in der Entwicklung.»
 
Angelo Lombardi: «Genau bei diesen Iterationen kommen eine wichtige Eigenschaft von Michael Montagna zu Tage – seine ‘geduldige Zielstrebigkeit’. Er hat eine grosse Ausdauer und verfolgt sein Ziel hartnäckig. Ausserdem hat Michael viel Zeit für sein Projekt zur Verfügung gestellt, es war ein enormes Engagement, fast ohne Limiten. Auch in den Ferien war er immer dran. Ich bin sehr beeindruckt, mit welchem Fachwissen Michael das Projekt umgesetzt hat. Ich hatte als Betreuer eher eine vorsorgliche Rolle Wir hatten viel Austausch miteinander, in fixen Terminen, aber auch bei spontanen Treffen.»
 
Gab es auf dem Weg keine Rückschläge?
Michael Montagna: «Doch! In der ersten Phase bin ich nicht wie gewünscht vorangekommen. Das war etwas frustrierend. Rückblickend muss ich aber feststellen: Ich habe in dieser Periode mehr gelernt, als ich es dachte.»
 
Angelo Lombardi: «Ich habe eine enorme Anpassungsfähigkeit von Michael wahrgenommen – diese Eigenschaft hat die Stiftung ‘Schweizer Jugend forscht’ in der Würdigung von der Arbeit von Michael auch hervorgehoben.»
 
Ist das Projekt mit dem Wettbewerb von Schweizer Jugend forscht nun zu Ende?
Michael Montagna: «Nein, ich habe eine Einladung erhalten zum International Swiss Talent Forum. Darüber hinaus darf ich im kommenden Jahr auch auf einer internationalen Messe in Barcelona mein Projekt vorstellen – darauf freue ich mich sehr.»
 
Welches Fazit ziehen Sie als Betreuer dieser Arbeit?

Angelo Lombardi: «Dieses Projekt war weit mehr als eine Maturaarbeit. Es ist eine fantastische Ausgangslage, wenn man einen Schüler begleiten darf, der derart motiviert ist. Ich musste mich vor allem darauf achten, dass Michael neben dem Projekt noch genügend Ressourcen für die Schule hatte. Es war ein Privileg, dass ich Michael unterstützen konnte.»


Über die Personen:
Michael Montagna (18), holländisch-italienischer Doppelbürger aus Aadorf, erlangte Ende Juni an der Kanti Frauenfeld die gymnasiale Matura. Im kommenden Herbst nimmt er an der ETH Zürich ein Studium in Maschinenbau in Angriff. Dr. Angelo Lombardi ist Fachlehrperson für Physik.


Fotos: Andreas Graf
Interview: Thomas Moll

Weiterführende Texte zu den beiden "Schweizer Jugend forscht"-Auszeichnungen:

  • Würdigung des Projekts von Amélie Quenzer auf der SJf-Website, siehe Link.
  • Würdigung des Projekts von Michael Montagna auf der SJf-Website, siehe Link
Bericht aus der Thurgauer Zeitung vom 22.06.2024 über die Maturaarbeit von Amélie Quenzer.

 

Bericht aus der Thurgauer Zeitung vom 18.05.2024 über die Maturaarbeit von Michael Montagna.