(Un)bekannte Kanti - kennen Sie dieses Kunstwerk?

Vermutlich kennen Sie dieses Kunstwerk, denn Sie und die meisten Angehörigen der Kanti gehen täglich an ihm vorbei: Die Bronze-Statue steht vor dem Haupteingang der Kanti. Sie heisst der Pfadfinder, und dieser ist erkennbar an der Uniform und am Kompass, den er in der Hand trägt.

Doch was hat ein Pfadfinder mit der Kanti zu tun? Was hat es auf sich mit dieser Figur, die seit Schülergenerationen vor dem Haupteingang der Schule steht?

Die erste Frage ist schnell beantwortet: nichts. Die Antwort auf die zweite ist etwas komplexer.

Der Erschaffer dieser Figur heisst Otto Schilt. Er war Schüler an der Kanti und hat 1908 die Matura mit der sehr guten Note von 2-1 abgeschlossen. Otto Schilt studierte Rechtswissenschaften auf Wunsch seines Vaters – eines bekannten Apothekers in Frauenfeld –, obwohl er schon als Jugendlicher Bildhauer werden wollte. Diesen Wunsch konnte er sich erst erfüllen, nachdem er das thurgauische Anwaltsexamen bestanden und damit seine Ausbildung abgeschlossen hatte. Seinen Durchbruch als Bildhauer erreichte er 1919, als er den Wettbewerb für das Soldatendenkmal in Frauenfeld gewann. Von nun an konnte er sich seiner Berufung widmen. Er hatte Erfolg mit zahlreichen Werken, die noch heute verstreut in der Deutschschweiz stehen. In Frauenfeld finden sich mit dem bekannten Sämannsbrunnen und dem weniger bekannten Pinguin beim Schulhaus Spanner zwei weitere Werke von ihm. 1943, mitten im Krieg, starb er.

Detailaufnahme

Damit ist aber noch nicht gesagt, warum und wie die Statue hierherkommt. Otto Schilt war Mitglied der Schülerverbindung Concordia und bekam dort aufgrund äusserer Merkmale den Vulgo «Vandal», so berichtet es das Mitteilungsblatt der Concordia. Als die Concordia 1943 zu ihrer 75-Jahr-Feier der Kanti ein Geschenk machen wollte, fiel die Wahl schnell auf ein Werk aus dem Nachlass des Künstlers. Es brauchte aber zuerst die Einwilligung der Besitzerin des Originals, welches beim Schulhaus Zürich-Fluntern steht, die Statue vor der Kanti ist ein Duplikat. Auch musste das Kriegsende abgewartet werden, denn die Verwendung von Metallen war in der Kriegszeit stark limitiert. Nach dem Ende des Krieges konnte die Statue im Frühling 1946 feierlich eingeweiht werden. Dies übrigens nicht zur sonderlichen Freude der Jung-Concordia, welche die Pfadi als Konkurrenz für die Rekrutierung neuer Mitglieder sah. Aber der damalige Altherrenpräsident begründete die Wahl der Statue unter anderem mit folgenden Worten: «Wesentlich ist, was Gesicht und Haltung des jungen Mannes ausdrücken: Klarheit, offenes Wesen, ruhige Gelassenheit, Zuversicht, Mut, Jugendfrische, Tatbereitschaft.» und weiter: « … bedenkt, … dass Ihr Euch nicht erst später, sondern schon hier zu bewähren habt: zu bewähren als pflichtbewusste, aufgeschlossene, dankbare Schüler, und als gute, anständige, ehrenhafte Kameraden!»

Es sei dahingestellt, ob Sie, wenn Sie den Pfadfinder in nächster Zeit etwas genauer betrachten, auch diese Eigenschaften erkennen. Auf jeden Fall gehört die Staute heute zum Inventar der Schule. Sie gehört gleichsam selbstverständlich dazu, man erblickt sie jeden Tag und sie begleitet die Schulangehörigen durch ihre Zeit an der Schule.

Autor Peter Giger