Beim Betreten des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg ist die Kongresshalle nicht zu übersehen. Die Mauern aus Granit des U-förmigen Bauwerks ragen deutlich über die grüne Umgebung hinaus. Als ich den Innenhof der Kongresshalle betrete, überkommt mich eine Mischung aus Beklemmung und Ehrfurcht. Die hohen Wände aus rötlichem Ziegelstein und Beton erzeugen eine kalte Atmosphäre. Die riesigen zugemauerten und mit Buchstaben versehenen Eingangstüren sind gleichmässig an der halbkreisförmigen Innenwand der Kongresshalle angeordnet, vor ihnen stehen vereinzelt Fahrzeuge und Metallgitter. In der Mitte des Innenhofs befinden sich drei Informationstafeln, welche die Entstehungsgeschichte der Kongresshalle dokumentieren. Eine Abbildung zieht dabei ganz besonders die Blicke auf sich: Ein Modell der Kongresshalle, wie sie nach ihrer Vollendung hätte aussehen sollen.
Nach seiner Machtergreifung 1933 bestimmte Hitler Nürnberg zum Austragungsort aller zukünftigen Reichsparteitage. Für jene bedurfte es einer riesige Kongresshalle, die die bereits bestehende Luitpoldhalle übertreffen sollte. Der Architekt Ludwig Ruff legte 1934 einen ersten Entwurf der Kongresshalle vor, worauf ihm von Hitler die Bauplanung übertragen wurde. Nach Plan sollte die Kongresshalle eine Höhe von 70 Metern erreichen. Heute ist sie immerhin rund 40 Meter hoch. Für rund 50'000 Parteimitglieder der NSDAP hätte die Halle Platz geboten, die von den Reden Hitlers und anderen NS-Grössen hätten mitgerissen werden sollen. Im Inneren sollte die Kongresshalle mit Marmor ausgeschmückt werden, eine Glasdecke hätte als Dach für die Halle gedient. Während den Reichsparteitagen im September hätte die Sonne so durch das Glasdach in die Halle geschienen, dass Hitler bei seinen Reden auf der Rednerkanzel im Lichtschein erstrahlt worden wäre. Zu einer Fertigstellung der Bauarbeiten ist es jedoch nie gekommen: Nach dem Angriffskrieg Deutschlands auf Polen 1939 und dem damit verbundenen Kriegsbeginn wurden die Reichsparteitage nicht mehr durchgeführt. Die Bauarbeiten wurden zwar teilweise fortgesetzt, ein geordneter Baubetrieb war jedoch nicht mehr möglich. Gegen Kriegsende diente die Kongresshalle noch als Lager.
Unser Rundgang führt entlang der aus Granitquadern bestehenden Aussenfassade der Kongresshalle. Der U-förmige Teil des Bauwerks beinhaltet aussen einen langen Arkadengang, zu dem ursprünglich eine Freitreppe führen sollte. Da diese jedoch nie gebaut wurde, ist der Arkadengang nun über aufgeschüttete Rampen oder schmale Treppen erreichbar. Beim Betreten der Arkadengänge fühle ich mich aufgrund ihrer imposanter Höhe unglaublich klein. Die gigantischen Eingangstüren, die wir vom Innenhof aus bereits erkennen konnten, überragen mich mit ihren 6 Metern Höhe. Der Anblick ist imposant und einschüchternd. Wenn man nun von aussen die Fassade betrachtet, fallen auch die zahlreichen Bäume und Sträucher auf, die aussehen, als würden sie halbherzig versuchen, die imposante Kongresshalle zu verdecken. Auch wenn dies bei einem Bauwerk dieser Grösse unmöglich ist, so spiegelt dieser Eindruck dennoch die jahrelangen Bemühungen wieder, das dunkle Erbe des Nationalsozialismus in Form der Kongresshalle in Vergessenheit geraten zu lassen.
Nach der Befreiung Nürnbergs durch die US-Amerikaner im April 1945 diente die Kongresshalle zunächst als Lebensmitteldepot. 1948 wurde sie wieder an die Stadt Nürnberg zurückgegeben. Im darauf folgenden Jahr fand dort die Deutsche Bauausstellung statt. Die Bedeutung der Kongresshalle und welche Partei hier ihre Kongresse hätte abhalten wollen, wurde verschwiegen. Später kamen neben der Nutzung als Ausstellungshalle noch weitere Ideen dazu. Zum Beispiel ein Fussballstadion, welches dann an den Kosten scheiterte oder ein Einkaufszentrum. Die Stadt entschloss sich schliesslich für eine teilweise Nutzung des Gebäudes. Der Rundbau diente eine Zeit lang als Regionallager des Versandhauses Quelle und auch noch als Depot für andere Zwecke.
Unser Rundgang endet vor den beiden Kopfbauten der Kongresshalle, die sich an den Enden des U-förmigen Baus befinden. Im linken Kopfbau befindet sich heute ein Sinfonieorchester, was durch einen grossen Schriftzug und ein Banner klar erkennbar ist. Im rechten Kopfbau befindet sich das Dokumentationszentrum, welches erst im Jahr 2001 eröffnet wurde, nachdem die Nachfrage nach einer Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus immer grösser wurde. Die Frage nach der Nutzung ist aber noch nicht abschliessend geklärt. Der Stadtrat plant nun den Bau einer Oper in der Kongresshalle, doch es gibt auch Stimmen dagegen: Die Funktion der Kongresshalle als Erinnerungsort dürfe nicht verwässert werden.
Während ich meinen Blick noch einmal über die imposante Kongresshalle schweifen lasse, wird mir klar: Man muss darüber nachdenken, was nun aus diesem Bauwerk werden soll. Die Kongresshalle ist viel zu gross, um sie unbeachtet leer stehen zu lassen. Sie hat zudem eine historische Bedeutung, die nicht vergessen werden darf. Nachdem es jahrzehntelang aufgeschoben wurde, muss sich die Stadt nun weiterhin mit der Frage auseinandersetzen, wie sie mit diesem unerwünschten Denkmal des Nationalsozialismus umgehen soll, ohne dabei das Bewahren der Erinnerungen und die Aufarbeitung der Geschichte in den Hintergrund rücken zu lassen.
Text von Annika Bauer, 3ma