«Eine ganz neutrale Berichterstattung gibt es nie»

Zeitung, TV oder Instagram – wo entsteht heute politische Meinung? Rick Näf, Jungpolitiker aus dem Thurgau, bewegt sich zwischen klassischen Medien und Instagram-Kampagnen. Im Interview spricht er über Manipulationsgefahr, Fake News und auf welche Medien er setzt. Ein Gespräch über Chancen, Risiken und die Verantwortung, die damit einhergeht.

Auch heute noch sind klassische Medien, also Zeitung, Radio oder TV, sehr geläufig. Diese Medien werden von einer Redaktion verwaltet, die entscheidet, was publiziert wird und was nicht. Hier ist Gatekeeping, also das Zurückhalten von  Informationen, die nicht der eigenen Position entsprechen, ein wichtiges Stichwort. Siehst du hier ein gewisses Potenzial für Manipulation?

Es gibt gewiss ein Risiko, dass die Berichterstattung nicht völlig neutral ist. Man sollte sich immer bewusst sein, wer hinter dem Bericht steht und dies bei seiner Meinungsbildung beachten. Natürlich gibt es immer neutralere und weniger neutrale Medien. Eine ganz neutrale Berichterstattung gibt es meiner Meinung nach nie. Genau deswegen sollte man sich nicht nur durch eine Quelle informieren, sondern verschiedene Meinungen und Ansichten zu einem Thema beachten. So ist es einem möglich zu reflektieren und sich seine eigene Meinung zu bilden.

Im Gegensatz zu den klassischen Medien, in welchen einfach eine Person den Artikel verfasst, gibt es in denSozialen Medien, die Möglichkeit seine eigene Meinung unter einen Beitrag zu ergänzen. Dies beispielsweise in Form eines Kommentars. Ist das jetzt ein Vor-oder ein Nachteil der sozialen Medien?

Ich denke, das ist eher ein Vorteil. So kommen verschiedene Meinungen zu einem Thema zusammen. Es kommt zum Austausch unterschiedlichster Meinungen. Und durch verschiedene Ansätze können sich die Medienkonsumenten auch eine eigene Meinung bilden. Ich sehe ein grösseres Problem darin, wenn falsche Informationen verbreitet werden.

Das Thema Fake News, welches du bereits angesprochen hast ist sehr zentral. Welche Problematik stellen FakeNews und algorithmisch gesteuerte Inhalte in den sozialen Medien dar?

Ja, das ist richtig. Besonders im politischen Kontext sind falsche Informationen sehr gefährlich. Deshalb sollte man unbedingt immer hinterfragen, woher die Informationen stammen und ob diese glaubwürdig sind. Am besten ist es natürlich, wenn der Creator gleich selbst seine Quellen angibt. Denn so kann verhindert werden, dass Gruppierungen Inhalte veröffentlichen, welche nicht vollständig der Wahrheit entsprechen, um sich selbst besser darzustellen. Das Gefährliche an den Algorithmen ist, dass diese dafür sorgen, dass einem nur Inhalte angezeigt werden, welche die eigene Meinung bestätigen oder solche, die zu bösartigen Kommentaren provozieren.

Nun zu den sozialen Medien in Bezug auf den Wahlkampf: Immer mehr Politiker sind aktiv in den sozialen Medien und zeigen ihre Präsenz. Wie wir gesehen haben, bist auch du aktiv auf Plattformen wie Instagram und Facebook. Ist dies auch bei anderen Parteimitgliedern der Jungfreisinnigen Thurgau der Fall?

Ja sicherlich, wir sind mit Social Media aufgewachsen. Persönlich nutze ich die sozialen Medien jedoch nur für politische Zwecke, privat eher weniger. Grundsätzlich kann man sagen, dass die sozialen Medien innerhalb der Partei viel für politische Zwecke genutzt werden, was ich auch gutheisse. Ich nutze es vor allem, um die jüngeren Wähler anzusprechen. Natürlich werden auch klassische Medien genutzt, jedoch wird dort eine andere Zielgruppe angesprochen.

Die sozialen Medien werden auch oft für Werbung, beispielsweise für eine Kandidatur genutzt. Wie würdest du in diesem Fall vorgehen, vermehrt digital oder analog?

Ich gehe auf jeden Fall digital und analog vor. Gewählt wird man meist von den Leuten, die einen kennen. Leider wählen überwiegend ältere Leute, welche noch an die Urne gehen. Deshalb ist es wichtig, auch diese zu erreichen. Über Social Media ist dies schwieriger. Man muss auf beiden Schienen fahren: auf die Strasse gehen, die Medien nutzen undPlakate aufstellen.

Laut einem 10vor10-Beitrag hat die FDP im Jahr 2019 260'000 Franken für Onlinewerbung ausgegeben. Haben auch die Jungfreisinnigen ein bestimmtes Budget für Social Media oder Onlinewerbung?

Schön wärs, hätten wir ein solches Budget. Wir haben kein bestimmtes Budget für Social Media. Jedoch haben wir Ressourcen und Sponsoren. Diese Gelder werden unter anderem für Werbung in den Medien eingesetzt. Diese sind aber nicht vergleichbar mit jenen der FDP. Ein neulich von uns gepostetes Video, was auch der Werbung diente, hat uns beispielsweise ungefähr 50 Franken gekostet.

Wenn wir das richtig verstanden haben, steckt hinter deinem Account also keine Agentur. Wie sieht das bei deiner Mutterpartei aus? Nutzt die FDP die Hilfe von Experten?

Ja genau, ich betreibe ihn alleine. Für mich ist die Politik nur ein Hobby und meine Passion, jedoch ist es nicht so, dass ich jemanden anstellen könnte, der meinen Account unterhält. Nur bei einer Nationalratskampagne gab es einmal den Fall, dass mir ein Bekannter geholfen hat. Jedoch denke ich, dass bei der FDP sicherlich Expertise beansprucht wird, vor allem bei grösseren Kampagnen. Man muss natürlich auch differenzieren: auf regionaler und nationaler Ebene sehen Kampagnen nicht gleich aus. Ich denke beispielsweise, dass jemand, der in den Gemeinderat will, keine grosse Social Media Kampagne führt, was auch verständlich ist. Doch auf höherer Ebene wird meiner Meinung nach die Qualität der Kampagne immer wichtiger und schlechte Auftritte immer schwerwiegender. Es hängt also sehr von der Grösser und der Wichtigkeit der Kampagne ab.

Nochmals auf den bereits angesprochenen Algorithmus bezogen: Wir haben in einer 10vor10-Reportage gesehen, dass im Internet oftmals Werbung angepasst an eine Zielgruppe geschaltet wird. Nutzt du oder auch deine Mutterpartei diese Funktion?

Ich würde sagen, die Werbung wird breit gestreut. Natürlich werden nicht unbedingt Minderjährige angesprochen, aber auch hier: man muss ja auch bereits bevor man volljährig wird, über Politik informiert werden. Aber ich würde sagen, dass mit der Wahl derPlattform gewissermassen bereits die Zielgruppe definiert wird. Heisst, man rechnet also bereits damit, eher junge Menschen zu erreichen. Ansonsten: eine direkte Einschränkung der Zielgruppe nehme ich nicht vor.

Und würdest du jetzt sagen, dass du durch deine Social Media-Präsenz eine höhere Erfolgsquote erzielst, odermehr Wähler erreichst?

Ja, das denke ich schon, ansonsten wäre ich dort nicht vertreten. Meine Beiträge werden dort schon gesehen und ich werde auch häufig darauf angesprochen. Tatsächlich sogar häufiger als auf Beiträge aus etablierten Medien. Manchmal auch im Hobby, da ist es dann aber nicht immer nur positiv, sondern oft auch etwas provokant. Aber damit muss man rechnen und auch umgehen können, man exponiert sich ja schliesslich. Man lernt da aber auch mit der Zeit souverän und mit etwas Humor damit umzugehen. Manchmal bekomme ich auch nicht so positive Nachrichten und Reaktionen, aber auch hier gilt dasselbe, man triggert ja schliesslich auch. Man sieht also, dass man generell mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Nun haben wir noch eine Abschlussfrage, ein Blick in die Zukunft. Was glaubst du, wie wird sich die Demokratie in Zukunft verändern, wie wird sie aussehen? Und was erhoffst du dir davon?

Ich denke und hoffe, dass die Demokratie sich verändern wird. So sind wir zum Beispiel gerade an einer Petition für mehr Digitalisierung im Kanton Thurgau. Der Wunsch ist natürlich, dass die Digitalisierung und die Demokratie miteinander einhergehen, die Demokratie aber auch bewahrt wird. Denn die Digitalisierung bringt sehr viele Chancen, aber auch viele Gefahren. Dafür ist E-Voting ein gutes Beispiel. Eigentlich klingt es sehr verlockend, es ist aber sehr heikel, denn die Menschen müssen auch daran glauben, dass ihre Stimme ankommt und die Resultate am Schluss auch legitim sind. Aber besonders das Parlament, oder der Diskurs könnten in Zukunft sicherlich digital stattfinden. Ich persönlich erhoffe mir davon, dass die Politik wieder etwas belebter wird. Dass wenn der Zugang vereinfacht wird, wieder mehr Personen angeregt werden, an der Politik teilzunehmen.

Das Gespräch führten: Gianna Müller, Lea Winkler und Basil Biefer (2ma)

Rick Näf ist seit Anfang 2025 Präsident der Jungfreisinnigen Thurgau. Aktuell wohnt er in Weinfelden und arbeitet in Winterthur als Finanzplaner. Seine Lehre als Kaufmann hat er auf der Gemeinde Kradolf-Schönenberg absolviert. Später hat er sich beruflich weitergebildet und den Abschluss als Finanzplaner erlangt. Sein politisches Interesse begleitet ihn schon lange; bereits 2020 beschloss er deshalb, der FDP beizutreten, später auch noch den Jungfreisinnigen Thurgau.  

Rick Näf