«In der Vorbereitungsphase bis hin zum Start war ich nervöser als bei den sonstigen Rennen. Die Nervosität verflog mit dem Startschuss. Früh im Rennen konnte ich mich mit zwei Konkurrentinnen absetzen. Am Ende der zweitletzten Runde hatte ich Platz zwei inne und gut eine Minute Vorsprung auf die Drittplatzierte. Plötzlich merkte ich, dass mein Vorderrad Luft verlor. Ich schaffte es gerade noch bis zur nächsten Tech-Zone, um mein Rad wechseln zu lassen. Trotz dieses Defekts reichte es zum Glück, den Vizeschweizermeistertitel ins Ziel zu fahren.»
Was sind die Anforderungen für ein solches Rennen?
«Sie sind hoch. In Crans Montana zum Beispiel galt es, eine Strecke von 11 Kilometern und 400 Höhenmetern zu bewältigen. Ich brauchte dazu rund 50 Minuten.»
Wie sieht ein typischer Cross-Country-Parcours aus?
«Im Gegensatz zu früher, gibt es selten lange Aufstiege gefolgt von einer langen Abfahrt. Heutzutage sind die Up- und Downhills kürzer und folgen kurz nacheinander, ohne lange Flachstücke dazwischen, so dass fast keine Zeit zur Erholung bleibt. Zudem sind die Strecken technisch schwierig zu fahren, den Berg hinauf und auch runter. Für technische Probleme und die Verpflegung gibt es jeweils ein bis zwei definierte Zonen.»
Was zeichnet eine gute Mountainbikerin aus? Welches sind Ihre persönlichen Stärken?
«Um an der Weltspitze mithalten zu können, sind sehr hohe technische und physische Fähigkeiten gefragt. Ich verbessere mich stetig, im Moment bin ich bergaufwärts und in der Ausdauer stark. Technische Strecken mag ich besonders, vor allem wenn wir während dem Rennen von Regenschauer heimgesucht werden.»
Wie entscheidend ist das Material? Und gleich zwei Anschlussfragen: Besitzen Sie mehrere Bikes und werden Sie von einem Bike-Sponsor unterstützt?
«Das Material ist sehr entscheidend. Ein leichtes Velo mit individuell zur Strecke angepassten Reifen ist von Vorteil. Ich besitze ein Bike und ein Rennvelo der Marke Thömus, welche ich zu einem vergünstigten Preis kaufen konnte. Und ich kann auf die Unterstützung des Teams RN Racing Service Course von Ralph Näf zählen. Ausserdem erhalte ich von der Firma Novo Business Consultants AG, meinem Schweizer Sporthilfe Paten, einen jährlichen Geldbetrag. Insgesamt sind es, jedes Jahr aufs Neue, hohe Ausgaben. Ich hoffe, in der nächsten Saison dem Team Thömus Akros Young Stars anzugehören und so noch bessere Konditionen zu erhalten.»
Sie performen mit 15 Jahren bereits auf einem hohen Niveau. Wie viel müssen Sie dafür investieren oder, konkreter, wie gross ist der durchschnittliche zeitliche Aufwand pro Woche?
«Ich trainiere pro Woche sieben bis elf Stunden. Die Trainings sind sehr polysportiv gestaltet. Ich fahre nicht nur Velo, sondern mache auch Intervall-Trainingseinheiten beim Joggen oder Langlaufen. Im Winter gehören auch Skitouren dazu. Daneben nimmt auch das Reisen viel Zeit in Anspruch. Für die Anreise an die Schweizermeisterschaft im Wallis brauchten wir beispielsweise vier Stunden. Aufwändig ist auch die Velopflege. Ich putze mein Fahrrad nach fast jedem Training und kümmere mich darum, dass ein Pneu, ein Kettenblatt oder der Lenkervorbau gewechselt werden. Auch die Regeneration ist wichtig und benötigt Zeit. Ich achte auf ausgewogenen Schlaf, und oft muss ich mich zwingen, mit Lernen aufzuhören und schlafen zu gehen.»
Sie sind seit letztem August bei uns am Gymi. Wie gut gelingt es Ihnen, Leistungssport und Schule unter einen Hut zu bringen?
«Im letzten Jahr konnte ich trotz einiger Urlaube für Trainingslager oder Rennen gut mithalten. Den Schulstoff nach einem Trainingslager nachzuholen, ist aber eine grosse Herausforderung. Ohne die Talentförderung, welche die Kantonsschule anbietet, würde ich das alles nicht meistern können. Ich erhalte Urlaube für Trainingslager oder die Anreisen zu Rennen. Frau Roth, unsere Rektorin, hat immer ein offenes Ohr für Urlaubsgesuche, dafür bin ich sehr dankbar. Ausserdem kann ich davon profitieren, dass ich von einzelnen Lektionen dispensiert bin. Diese wegfallenden Lektionen machen Platz für das Training oder um schulische Dinge zu erledigen.»
Wie sind Sie überhaupt zum Mountainbiken gekommen?
«Früher, als ich mit der Jugendriege aufhörte, wollte ich eine neue Sportart ausprobieren, wusste aber nicht gleich welche. Ich wollte etwas machen, das Mut und Natur verbindet. So kam ich aufs Biken. Mit dem Biken kam der Spass und vor vier Jahren begann ich, Rennen zu bestreiten. Bereut habe ich es nie, denn es bereitet mir unbeschreiblich viel Freude, diesen tollen Sport auszuüben.»
Was heutzutage viele Leute interessiert, ist die Ernährung: Wie schaffen Sie es, den hohen Kalorienbedarf zu decken? Gibt es Zuhause jeden Tag Spaghetti? Halten Sie sich an einen Ernährungsplan?
«Ich schaue vor allem in der Woche vor einem Wettkampf auf die Ernährung, nehme viele Kohlenhydrate zu mir. Einen Tag vor dem Rennen befolge ich einen strikten Plan. Aber zwischendurch darf eine Kebap Box vom Take-Away nicht fehlen (lacht).»
Welche wichtige Rennen stehen dieses Jahr noch auf dem Programm?
«Nebst guten Resultaten bei den Rennserien Swiss Bike Cup und Bike Revolution, ist für mich die Selektion für die Jugendolympiade in Maribor das grösste Ziel. Zudem werde ich an der Europameisterschaft, die in Italien stattfindet, teilnehmen. Ende September werde ich das letzte Rennen bestreiten. Es wird gleichzeitig auch das letzte Rennen in der Kategorie U17 sein (Jg. 2007/2008 Anm. d. Red.).»
Wie sieht Ihre längerfristige Planung aus? Sind internationale Rennen bereits ein Thema?
«Mein Ziel ist es, weiterhin dem Nationalkader anzugehören und mit ihm internationale Rennen zu fahren. Aber auch mit dem U17-Nationalkader bestreiten wir internationale Rennen. So fuhren wir vor zwei Wochen ein mehrtägiges Strassenrennen in Stuttgart. Und wer weiss, vielleicht kann ich irgendwann mein grösstes Ziel erreichen und Weltmeisterin werden.»
Liebe Chiara, vielen Dank für das spannende Interview! Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in Ihrer noch jungen Sportkarriere und natürlich auch bei uns an der Kanti Frauenfeld.
Das Gespräch führte Markus Kümin, Fachlehrperson für Sport und Englisch.