Franziska Triet öffnet schwungvoll die Tür, und sofort fühlt man sich willkommen. Im Büro H321 ist das besonders wichtig: Bei der Schulsozialarbeiterin schauen Schülerinnen und Schüler vorbei, die vertraulich über ein wichtiges Thema oder ein Problem reden möchten, einen unverbindlichen Rat oder Unterstützung in einer Krise wünschen. Sie haben sich vorgängig per Mail oder Whatsapp gemeldet, manche klopfen spontan an. Einen Termin bekommen sie innerhalb von zwei Wochen. Wenn es dringend ist, auch früher.
Im Zentrum der Beratung steht Empowerment
Zu Beginn einer Beratung wird entschieden, ob die Schülerin oder der Schüler von sich aus berichten möchte – oder ob gezielte Fragen helfen. Franziska Triet will die Problematik möglichst gut verstehen, Stärken und Schwächen identifizieren und etwas über frühere Lösungsversuche erfahren. Gemeinsam werden Prioritäten gesetzt und Lösungswege gesucht. «Dieser Ansatz basiert auf Empowerment», sagt sie. «Das Ziel ist, Jugendliche durch eine schwierige Zeit zu begleiten, zu stärken und beim Finden passender Lösungen zu unterstützen.»
Trotz der Schwere einer Situation versucht Franziska Triet, eine gewisse Leichtigkeit in ein Gespräch hineinzubringen. «Es ist schön, wenn jemand nach dem Weinen wieder lachen kann», sagt sie. «Oder wenn trotz des Weinens ein Lachen möglich ist.» Momente, die von Vertrauen und von der Vertraulichkeit leben. Franziska Triet hält sich an die Schweigepflicht. Ausser es besteht ein begründeter Verdacht, dass das Leben einer Person gefährdet sein könnte. «Dann steht der Schutz des Einzelnen und der Gemeinschaft an oberster Stelle.»
«Die Adoleszenz ist besonders anspruchsvoll»
Im Gegensatz zur Volksschule ist das Angebot der Schulsozialarbeit an Kantonsschulen noch nicht weitverbreitet. Obwohl die Kanti Frauenfeld seit 2007 erfolgreich mit Perspektive Thurgau zusammengearbeitet hat, beantragte die Schulleitung 2023 die Neuausrichtung einer bestehenden Stelle, um vor Ort und damit niederschwellig Beratungen anzubieten. Seit 2024 arbeitet Franziska Triet nun an der Kanti – und baut das neue Angebot auf.
Der Bedarf sei da. «Die Entwicklungsphase der Adoleszenz ist besonders anspruchsvoll», sagt Franziska Triet. «Gerade an einer Kanti, wo für viele der Leistungsdruck dazukommt, kann eine Kumulation von Problemen eine grosse Überforderung darstellen. Manchmal braucht’s nur wenig, dann ist’s zu viel, und die Belastung wird zu gross».
Probleme mit Ursachen in der Familie sind häufig
Franziska Triets Aufgabenfeld umfasst klassische Aufgaben der Sozialarbeit, angepasst an das schulische Umfeld. Am häufigsten seien Probleme, die ihre Ursache in der Familie hätten. «Bei jungen Frauen spielen oft auch Selbstzweifel und mangelnder Selbstwert eine grosse Rolle», sagt Franziska Triet. «Das bereitet mir grosse Sorgen.»
«Als besonders herausfordernd empfinde ich die Begleitung von Jugendlichen, die zuhause psychische Gewalt erleben und systematisch abgewertet werden», sagt sie. Denn im Unterschied zur Schulsozialarbeit in der Volksschule könne sie auf solche Eltern kaum Einfluss nehmen. Und emotional schwierig sei die Begleitung von Jugendlichen, die in absehbarer Zeit von einem Elternteil Abschied nehmen müssen. «Da gibt es keine eigentliche Lösung des Problems», sagt Franziska Triet. «Es ist einfach nur traurig.»
Für schulische Überforderung gibt’s andere Coaches
In ihrer Tätigkeit geht es um psychische, emotionale und seelische Gesundheit – und um die Gründe, die die Belastbarkeit beeinträchtigen. «Mit dem schulischen Druck können die meisten Schülerinnen und Schüler gut umgehen», sagt Franziska Triet. «Wenn aber ein Elternteil psychisch krank ist oder die Trennung der Eltern bewältigt werden muss, kann das Fass überlaufen.»
Falls Leistungsdruck, also schulische Überforderung, die Hauptbelastung ist, verweist sie auf spezialisierte Unterstützung. Das können zum Beispiel externe (Lern-)Coaches sein. Eine beliebte Anlaufstelle ist aber auch der offene Lernraum. Einmal wöchentlich nehmen sich in der Mediothek zwei Lehrpersonen Zeit für fachliche und lerntechnische Fragen von Schülerinnen und Schülern, aktuell dienstags von 16 bis 17.30 Uhr.
Die Weltlage hat eine verunsichernde Wirkung
Es sei erschütternd und auch bedenklich, sagt Franziska Triet, was Jugendliche manchmal aushalten müssten. Sie hat diesbezüglich vieles gesehen, insbesondere während ihrer langjährigen Tätigkeit im gesetzlichen Kindes- und Jugendschutz bei der Kesb, aber auch als Schulsozialarbeiterin in der Primarschule und auf der Oberstufe in Oberuzwil. Die Herausforderungen hätten zugenommen, nicht nur im familiären Rahmen. Die Weltlage ist schwierig: Social Media, Pandemie, Populismus, Krieg. «Das kann eine verunsichernde Wirkung haben», sagt Franziska Triet. «Und wirft gerade bei Kindern und Jugendlichen die Frage auf: Wo führt das alles hin? What’s next?»
Willie ist das egal. Er ist der Hund von Franziska Triet – und bei Beratungen oft dabei. Herzliche Begrüssungen liebt er, danach rollt er sich in einer Nische zwischen Tür und Tisch zusammen. Auch wegen ihm kommen Schülerinnen und Schüler gern ins H321. Aber der Hauptgrund ist das Gesprächs- und Beratungsangebot. Franziska Triet nimmt sich Zeit, hört zu, berät. «Wenn mir ein junger Mensch seine innersten Sorgen anvertraut», sagt sie, «ist das für mich nie selbstverständlich, sondern ein Geschenk.»
Text: Lukas Dumelin
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Zwölf Strategien, um mental gesund zu bleiben. Es gibt keine universelle Lösung, um das Wohlbefinden sicherzustellen. Franziska Triet kennt aber viele Strategien, die hilfreich sein können. Zum Beispiel diese zwölf hier:
• Entwickle die Fähigkeit, dein eigener bester Freund zu werden.
• Umgib dich mit Menschen, die dir gut tun.
• Übe dich bewusst darin, deine Grenzen wahrzunehmen und sie nach aussen deutlich zu machen. Verabschiede dich vom Wunsch, «everybody’s darling» zu sein.
• Pflege deinen Freundeskreis. Rede mit anderen auch über Schwierigkeiten. Das ermöglicht dem Gegenüber, sich ebenfalls zu öffnen, und schon wird gegenseitige Unterstützung möglich.
• Achte auf deine Befindlichkeit und reagiere bei Bedarf frühzeitig auf Warnsignale.
• Eigne dir Entspannungs- und Atemtechniken an, auf die du bei Bedarf zurückgreifen kannst.
• Übe dich darin, auch in schwierigen Situationen die hellen Momente zu sehen.
• Reduziere perfektionistische Ansprüche an dich selbst und vergleiche dich weniger mit anderen. Nobody is perfect!
• Lege regelmässig Pausen ein – auch im ausserschulischen Bereich.
• Sei stolz auf kleine Erfolge und akzeptiere Fehler als Lernchancen.
• Nimm deine Umwelt bewusst wahr und erkenne in jedem Moment etwas, wofür du dankbar sein kannst.
• Sorge dafür, dass die wichtigsten Grundlagen für deine mentale Gesundheit gewährleistet sind: genügend Schlaf, gesunde Ernährung und genügend Wasserzufuhr. Klingt banal, ist aber erwiesenermassen die Basis des Wohlbefindens.
Für Franziska Triet steht fest, dass es – lebensphilosophisch betrachtet – weniger darum geht, das Glück zu finden. Wichtiger ist die innere Zufriedenheit. Wer diese findet, ist zwischendurch immer wieder mal glücklich.