Was kann es Schöneres geben, als der immer sehr aufreibenden Vorweihnachtszeit mit dem Besuch eines Weihnachtskonzerts zu entfliehen. Dieses Gefühl haben offensichtlich viele Angehörige der Kantonsschule Frauenfeld und Eltern, Geschwister und Freunde der auftretenden Schülerinnen und Schüler empfunden und sind am vergangenen Mittwoch Abend in grosser Zahl in die Evangelische Stadtkirche Frauenfeld geströmt. Dort fand das traditionelle Konzert «Musik vor Weihnachten» statt. Das reiche Programm wird jeweils unter der Hauptverantwortung von Katja Hess und der Mitwirkung der ganzen Fachschaft Musik organisiert und ermöglicht es, die grosse Vielfalt an musikalischer Beschäftigung an der Schule vorzustellen.
Die grosse Vielfalt zeigt sich bereits in einem kurzen Blick ins Programm, wo unter den klassischen Orchester-, Klavier- und Chorbeiträgen auch seltenere Musikformationen figurieren, wie beispielsweise ein Flötenquartett oder ein Gitarrentrio. Musikalisch führt uns der Abend durch die unterschiedlichsten Musikepochen und Stile. Neben Schubert, Chopin und Mozart dürfen auch Weihnachtsklassiker wie «Santa Claus is coming», «Rudolph, the red nosed reindeer» oder «Feliz navidad» nicht fehlen.
Doch jedes noch so abwechslungsreiche musikalische Weihnachtskonzert kann stets nur durch die Aufführung der Künstlerinnen und Künstler gelingen. Und dass Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne diesen Abend gestalten, zeigt sich von Beginn an. Mit welcher unbeschwerten Leichtigkeit lädt uns das Kanti Orchestra mit einem Walzer aus Dmitrij Schostakowitschs Jazz Suite Nr. 2 dazu ein, ins vergangene Jahr zu tanzen und uns an all die schönen, aber auch schwierigen Momente zu erinnern. Die Pianistin Sophie Michael erweitert mit ihrem Spiel diesen individuellen Jahresrückblick. Der mit so viel Mut und Entschlossenheit gespielte Impromptus von Schubert fordert uns auf, doch viel spontaner zu sein, die augenblicklichen Einfälle zuzulassen. Einfälle wie beispielsweise, die Perspektive zu ändern, dem Flötenquartett auf der Empore zuzuhören und unseren Blick nach oben zu erweitern. Und noch etwas zeigt uns das Flötenspiel: dass Musik unser Zusammensein fördert, denn der grosse Musikpädagoge Georg Philipp Telemann hat immer wieder Stücke zum gemeinsamen Musizieren geschrieben. Wie dieses gemeinsame Musizieren funktioniert, zeigt uns das Flötenquartett in beeindruckender Art und Weise, indem nicht vier Einzelstimmen gespielt werden, sondern die Musik aus einem Körper heraus ertönt.
Aber auch die weiteren Solistinnen und Solisten verzaubern uns mit ihrem Spiel. Das berührende Geigenspiel von Dominique Hertig ermuntert uns in unserem persönlichen Jahresrückblick, über Änderungen in unserem Leben nachzudenken, genau so muss es Thaïs
ergangen sein, von deren Geschichte und Läuterung das Stück berichtet. Die Musikerin überzeugt mit einem grossen gestalterischen Repertoire, indem Sie differenziert mit der Lautstärke umgeht und Höhen und Tiefen der Musik technisch gekonnt umsetzt.
Immer wieder fliegen auch Engel auf Erde und verzaubern die Hörerinnen mit ihren klaren Stimmen. Genau ein solches Erlebnis haben wir bei Isabel Kellers Aufführung der berühmten Opernarie von Gluck, in welcher Paris der schönen Helena seine Liebe in den zartesten Tönen gesteht.
Mozarts Ave Verum holt uns zurück aus der Leidenschaft eines Paris und lässt uns zur Besinnung kommen, lässt uns aufatmen, bevor uns Theodor Rata in seinen differenzierten Vortrag von Chopins Ballade Op. 38 mitnimmt. Mit Leichtigkeit wird uns das Thema vorgestellt, welches mehrfach wieder erklingt. Aber mit Bestimmtheit zügelt Theodor die waghalsige Chromatik und verbindet so die unterschiedlichen Charaktere innerhalb des Stücks um in Stille zur Ruhe und zum Ende zu kommen.
Den mittleren Teil des Konzerts prägen Weihnachtsklassiker: «Santa Claus is coming» und «Mary did you know» trägt Noëmi Haller mit beeindruckender Stimmfarbe vor. Es gelingt ihr den Witz von der Ankunft des Weihnachtsmanns, aber auch den Ernst der rhetorischen Fragen über das Leben einer Mutter in «Mary did you know» musikalisch einzufangen. Die Zusammenfassung der Fülle an Klang- und Stimmfarben bietet schliesslich einer der Höhepunkte des Abends, das Gesangsquartett mit dem Stück «Amazing Grace».
Der Schlussteil des Konzerts beweist, dass Weihnachtskonzerte nicht nur mit klassischen Instrumenten und Gesang begangen werden müssen. Die Gitarre, dabei vor allem die E-Gitarre haben ihre klare Berechtigung, die Menschen auf die Weihnachtszeit einzustimmen. Technisch souverän rauscht das Gitarrentrio durch die Läufe im Stück von Rondo Veneziano.
«Strength of Heroes» lässt uns schliesslich die ganze Vielfalt des Konzerts mit Gitarrensolo und Gesang noch einmal erleben, wobei das für das Genre so typische Improvisieren den Kreis zu Schuberts Impromptus zu Beginn des Konzerts schliesst. Ach, könnte man doch nur Weihnachtskonzerte hören und möglichst nicht arbeiten müssen, wie das Schlusslied des Bandworkshops meint: «Je ne veux pas travailler» (aus «Sympathique» von Pink Martini).
Die beiden Schlusschöre holen uns von unserer Reise ins vergangene Jahr in die Gegenwart von Weihnachten zurück. Die Engelschar der ersten Klassen der Kantonsschule meistern souverän das harmonisch anspruchsvolle «White Christmas» und verabschieden uns klatschend mit dem Gruss: «Feliz navidad».
Text: D. Prica